„Bayern – Bio-Land? Ökologie und bäuerliche Landwirtschaft“
Vortrag in Nußdorf
Der Ökoanbau spielt für uns Grüne in der Agrarpolitik seit jeher eine Schlüsselrolle. Wir treten seit unserer Gründung für das Leitbild Ökoanbau ein, auch als Konsequenz unserer Globalisierungskritik – Stichwort: „Global denken – lokal handeln“ – und wegen der Generationengerechtigkeit – „Wir haben die Welt nur von unseren Kindern geerbt“.
Dazu kommen Gründe wie der Umwelt-, Tier-, Boden- und Trinkwasserschutzes. Außerdem gibt es ein berechtigtes Eigeninteresse an gesunden Lebensmitteln. Uns schließlich wollen wir die Wertschöpfung in der Region lassen, getreu dem Motto: „Aus der Region für die Region“.
Klimaschutz und Hochwasserschutz durch Ökoanbau
In der letzten Zeit ist vielen klar geworden, dass es noch wesentliche zusätzliche Gründe für den Ökoanbau gibt, nämlich Klimaschutz und Hochwasserschutz. Der ökologische Anbau eignet sich dafür, Ursachen und Folgen gleichzeitig zu bekämpfen. Seine Hauptvorteile dabei sind, dass er keine Pestizide einsetzt und keine synthetischen Dünger und dass er gleichzeitig ein gesundes Bodenleben, Bodenfruchtbarkeit sowie Humusaufbau fördert.
Humusaufbau ist Klimaschutz, weil CO2 eingelagert wird, und Hochwasserschutz, weil Böden viel aufnahmefähiger für Starkregenereignisse sind – allein schon der Regenwurmröhren wegen. Wer Humus aufbaut, entzieht der Atmosphäre tonnenweise Kohlendioxid. Humose und lockere Böden ermöglichen eine erhöhte Wasseraufnahme, und zwar bis zu 150 l/m². Wer einmal über einen Maisacker gegangen ist, spürt, dass ein Sturzregen nur schnell und oberflächlich abfließen kann, sich quasi wie auf Beton verhält.
Die Vorteile liegen also alle auf Seiten des Ökoanbaus. Gerade deshalb ist der Ökoanbau nicht beliebt bei industrieller Landwirtschaft und Agrarlobby – ob der politischen oder der im Bauernverband. Denn er zeigt, dass man Lebensmittel in hoher Qualität produzieren kann, ohne Folgeschäden zu verursachen. Er ist also eine massive Kritik an der dominierenden Form der Landbewirtschaftung. Deshalb halten industrielle Landwirtschaft und Agrarlobby den Ökoanbau in Bayern klein. Gleichzeitig wird so getan, als ob es keine Unterschiede zwischen ökologischem und konventionellem Anbau gäbe, als ob alles bestens sei: Es wird ein falsches Idyll von Bayern gezeichnet.
Falsches Idyll „Bayern“
Wie stark die Bilder des „ökologischen Bayern“ und seiner „bäuerlichen Landwirtschaft“ verbreitet und in den Köpfen verankert ist, zeigt sich jedes Mal, wenn Krisen diese Idylle in Frage stellen. Als sich auch in Bayern und vor allem in Bayern zeigte, wie weit BSE verbreitet ist und dass gerade Höfe im schönsten Allgäu davon betroffen waren, war der Schock groß. Weil auch auf diesen Höfen Kälbern nicht die Muttermilch, sondern sogenannte „Milchaustauscher“ verabreicht wurden, konnte sich BSE über darin verwendete Fette ausbreiten. Plötzlich standen scheinbar autarke Höfe wie ausgelagerte Produktionsstätten der Agrarindustrie da.
In unserem vermeintlich so „grünen“ Bayern werden jährlich 7.000 Hektar Grünland in Ackerland umgebrochen. Dadurch setzen die Landwirte 154.000 Tonnen CO2frei. Um das zu neutralisieren, müssten wir jährlich 35 Windkraftanlagen bauen. Zudem ist in den Gebieten mit hohem Grünlandumbruch der Nitratgehalt im Wasser gestiegen. Hier darf die Förderung nicht länger falsche Anreize setzen.
Angeblich hält sich die bayerische Staatsregierung bei der Verteilung der Fördermittel an das Leitbild „bäuerliche Landwirtschaft“. Auch das hält einer Überprüfung nicht stand: Die Staatsregierung fördert über das einzelbetriebliche Investitionsprogramm gezielt gerade sogenannte „Wachstumsbetriebe“. Das geht zum Teil bis zur industriellen Tierhaltung. So werden Hähnchenmast-Betriebe mit mehr als 30.000 Mastplätzen noch mit zwei Drittel der möglichen Fördermittel, Putenmastbetriebe mit mehr als 15.000 Mastplätzen mit 80 %, Schweinemastbetriebe mit mehr als 1.500 Mastplätzen mit 57 % unterstützt. Selbst in Sachen artgerechte Haltung werden in Bayern die Weichen falsch gestellt. So werden bei der Schweinehaltung auch Betriebe mit Spaltenböden gefördert.
Nicht einmal das Idyll der „glücklichen Kühe“ stimmt. Beim Weidegang nahm Bayern 2009 im Bundesvergleich den viertletzten Platz ein. Noch schlechter waren nur die drei Ostländer Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Mehr als die Hälfte der bayerischen Milchkühe wurden in Anbindeställen gehalten, lediglich 16 Prozent aller Tiere hatten Weidegang.
Das falsche Idyll vom „grünen Bayern“ hält sich hartnäckig, gegen alle Fakten. Denn es wird gezielt instrumentalisiert. Damit nivelliert die Agrarlobby Unterschiede zwischen einer mehr oder weniger oder gar nicht ökologischen Landwirtschaft. Wenn es egal ist, weil angeblich sowieso alles öko ist, gibt es auch keinen Grund, explizit ökologisch zu wirtschaften oder einzukaufen. Das will man den Menschen in Bayern einreden. Aber es ist nicht das gleiche, ob Landwirtschaft konventionell oder ökologisch betrieben wird. Im Gegenteil: Je mehr öko, desto mehr Qualität. Wie gesagt, liegen alle Vorteile auf Seiten des Ökoanbaus – sogar die niedrigeren Produktionskosten.
Denn Ökoanbau ist preiswert und kostengünstig. Teuer kommt uns der konventionelle Anbau: Zusätzlich zu dem, was die VerbraucherInnen an der Kasse bezahlen müssen, zahlen sie noch als SteuerzahlerInnen für Subventionen und Reparaturmaßnahmen. Denn sie müssen auch für Folgekosten aufkommen, die für Gesundheit, Umwelt, Tiere, Klimaschutz anfallen. Nach Berechnungen, die die Universität Essex schon vor über fünfzehn Jahren anstellte, betrugen in Großbritannien die Folgekosten durch die konventionelle Landwirtschaft für Umwelt und Gesellschaft 3,4 Mrd. Euro im Jahr. Darin sind beispielsweise Belastungen enthalten für die Reinigung von Trinkwasser, die Folgen von Methan- und Stickoxidausstoß, Erosion oder – damals großes Thema – BSE. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Steuerzahler spricht also alles dafür, die Landwirtschaft in Bayern deutlich ökologisch auszurichten.
Leistung muss sich lohnen
Natürlich soll niemand gezwungen werden, ökologisch zu wirtschaften. Aber es dürfen keine Fördermittel fließen, wenn keine definierten Leistungen für die Allgemeinheit erbracht werden oder ihr gar geschadet wird. Die gegenwärtigen Förderschwerpunkte sind kontraproduktiv. Sie führen zu Industrialisierung und Konkurrenz über Preis und Masse. Aus der EU fließen 55 Mrd. in die Landwirtschaft, davon sind gut 40 Mrd. Euro Direktzahlungen. 20 % der Betriebe erhalten 85 % der Gelder. Die EU-Kommission selber hat kritisiert, dass vor allem flächenstarke Ackerbaubetriebe unverhältnismäßig begünstigt werden. Gewinner sind also vor allem Betriebe außerhalb Bayerns. Deshalb ist es völlig unverständlich, dass sich die bayerische Staatsregierung für eine solche Förderpolitik einsetzt.
Es gibt zwei Hauptquellen der EU-Agrarförderung: Einmal die Direktzahlungen aus der 1. Säule, die ein Betrieb bezogen auf seine Größe bekommt. Sie machen derzeit für Bayern 1,1 Mrd. Euro aus. Und dann für bestimmte Aufgaben oder Leistungen Gelder aus der 2. Säule. Das waren auf Bayern bezogen ca. 500 Mio. Euro.
Wofür bekommt man jeweils die Mittel? Die Direktzahlungen aus der 1. Säule bekommt man dafür, dass man landwirtschaftliche Flächen hat bzw. weil man sie schon mal bekommen hat. Die 2. Säule dagegen orientiert sich im Grundsatz an gesellschaftlichen Aufgaben oder Leistungen. Daraus werden z.B. der Ökoanbau und Maßnahmen zum Naturschutz oder zum Erhalt der Kulturlandschaft gefördert. Es gibt in der 2. Säule auch fragwürdige Fördermaßnahmen, h im einzelbetrieblichen Investitionsprogramm. Aber im Grundsatz gilt das Leistungsprinzip. Ausgerechnet diese Mittel sollen jetzt gekürzt werden. Das wird zu Lasten von Umweltprogrammen und Ökoanbau gehen.
Obwohl das Mittel sind, die vielen Bauernfamilien gerade in Bayern fehlen werden, kommt kein Aufschrei vom Bauernverband. Denn Umweltmaßnahmen und Ökoanbau sind für ihn nicht Kerngeschäft der Landwirte. Das bleibt, wenn es nach dem Bauernverband geht, denen vorbehalten, die „nicht konkurrenzfähig“ sind. Kerngeschäft ist für ihn die über den Preis konkurrenzfähige Massenproduktion.
Ich verstehe bis heute nicht, warum der Bauernverband will, dass unsere Bauern mit Massenproduktion auf dem Weltmarkt konkurrieren. Ich halte das für doppelten Blödsinn. Denn erstens haben wir mit regionaler Produktion, Vermarktung und Spezialitäten ein Alleinstellungsmerkmal bzw. einen Konkurrenzvorteil. Bayerische Produkte produzieren können nur wir. Zweitens können wir mit wirklichen Weltmarktbeschickern nicht mithalten, weil diese ungleich niedrigere Produktionskosten haben. Nur deshalb brauchen unsere Bauern Milliarden teure Subventionen.
Bio-Land Bayern
Bayern ist, das sagen wir Grünen schon Jahrzehnte, prädestiniert, Europas Feinkostladen zu werden: wegen der Struktur, der Landschaft, den fleißigen Bauernfamilien, der regionalen Vielfalt. Dabei muss der Ökoanbau eine zentrale Rolle spielen.
Neuerdings redet auch die bayerische Regierung positiv über den Ökoanbau. Mit dem Programm „BioRegio Bayern 2020″ will sie den Anteil des Ökoanbaus von jetzt 6 auf 12 % steigern. Aber schon Stoiber hatte nach dem BSE-Schock im Januar 2001 „10 % in wenigen Jahren“ versprochen. Die Realität sieht anders aus. 2011 betreiben 7,5 % der Höfe Ökoanbau mit 6,1 % der Nutzfläche. Damit war Bayern im Bundesschnitt (unter-)durchschnittlich. Die Staatsregierung ist an dieser Entwicklung mit schuld. Denn sie spricht sich zwar offiziell für den Ökoanbau aus, signalisiert aber zwischen den Zeilen umstellungswilligen Bauern klar und deutlich, dass sie andere Bewirtschaftungsformen bevorzugt. Diese indirekte Ablehnung gibt sie z.B. gegenwärtig dadurch zu versehen, dass sie sich in der Diskussion über die Zukunft der EU-Agrarförderung pro Flächen- und gegen Leistungsorientierung ausspricht.
Deshalb hat der Ökoanbau im Wettbewerb mit geförderter Massenproduktion und Biogas keine Chance, weil
– die Staatsregierung ihm keine klare Perspektive gibt und
– keine klare Unterstützung (immer noch werden indirekte Vorbehalte geltend gemacht, er sei keine richtige Landwirtschaft);
– der Förderabstand zu gering ist im Vergleich zu zusätzlichen Leistungen und möglichem Risiko,
– Markt- und Erfassungsstrukturen wegen des geringen Ökoanteils immer noch kostentreibend wirken.
Früher haben die Staatsregierung und der Bauernverband gern die VerbraucherInnen für die schleppende Entwicklung des Ökonanbaus verantwortlich gemacht, weil die Nachfrage angeblich zu gering war. Aber jetzt boomt der Markt unübersehbar: Von 2000 bis 2012 hat sich das Handelsvolumen mit Ökolebensmitteln auf über 7 Mrd. Euro mehr als verdreifacht, die ökologische Fläche nur knapp verdoppelt. Jeder zweite Bio-Apfel oder Bio-Gurke, jede dritte Kartoffel, Zwiebel oder Erdbeere muss aus dem Ausland importiert werden. Bei Gemüse sind es 35-91 % (Grüne Studie Uni Bonn).
Wie sehr die bayerische Regierung für diesen Missstand verantwortlich ist, zeigt ein Vergleich mit unseren Nachbarländern. Ein Blick nach Oberösterreich ist da ganz aufschlussreich: Während in Bayern der Ökoanbau gerade mal 6 Prozent erreicht, liegt er in vergleichbaren Regionen in Oberösterreich zwischen 20 und 50 Prozent. In Landkreisen wie Passau, Rottal oder Freyung-Grafenau, also direkt an der Grenze, liegt der Anteil der Biobauern bei drei Prozent. Die Bauern dort sind die gleichen, ebenso die Marktlage, die Landschaft und die Betriebsstrukturen. Nur die Regierung ist eine andere. Es ist also höchste Zeit, dass auch wir eine andere Regierung bekommen. Bayern ist reif.
26. Juni 2013
.Landwirtschaft